Faszination Serienmörder (4): Fünf Fragen an Ulrich Hermanski

Ulrich Hermanski ist Leiter des Pressereferats im Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. Nachdem er 1985 sein zweites juristisches Staatsexamen ablegte, arbeitete er als Redakteur für die Rheinische Post, die Nachrichtenagenturen dpa und ddp, bis er sich sich 2002 dazu entschloss als freier Journalist und Rechtsanwalt zu arbeiten. Seit 2005 leitet er das Pressereferat im Justizministerium.
Bereits zu Beginn seiner journalistischen und juristischen Laufbahn bekam Ulrich Hermanski die Gelegenheit sich mit dem Thema Peter Kürten zu beschäftigen, als er für eine TV-Dokumentation des WDR das Drehbuch verfasste. Dabei wurde er von seinem Freund und Kollegen Cornelius Schumann II unterstützt. Er hat sich freundlicherweise die Zeit genommen, fünf Fragen zur Faszination Serienmörder zu beantworten.

1. Herr Hermanski, wie sind Sie dazu gekommen eine Dokumentation über Peter Kürten zu drehen?

Ein Kölner Fernsehproduzent suchte für sein Filmprojekt jemanden, der juristisch und journalistisch arbeiten kann. Über den Rechtsanwalt, bei dem ich damals während meiner Referendarzeit beschäftigt war und der von meinen journalistischen Aktivitäten wusste, kam der Kontakt zu mir zustande. Der Produzent und ich haben uns getroffen, einige Details gesprochen, und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass ich das Drehbuch für einen Dokumentarfilm zum „Fall Kürten“ schreiben soll. Es war übrigens mein erstes Drehbuch und ist bis heute das einzige geblieben.

2. Die Geschichte von Peter Kürten in 45 Minuten Film – widmen wir ihm damit zu wenig oder zu viel Zeit?

Natürlich könnte man den „Fall Kürten“ wegen seiner ungeheuren Komplexität locker auch in drei Filmen zu je 45 Minuten abhandeln. Aber andererseits muss man sehen, dass 45 Minuten für eine Fernseh-Dokumentation schon eine ordentliche Sendezeit sind und man ein Sujet ja auch so aufbereiten muss, dass die Zuschauer bis zum Ende bei der Stange bleiben.

3. Sie hatten noch die Gelegenheit, mit einer Zeitzeugin zu sprechen. Wie beschrieb Sie die Atmosphäre in der Stadt zur damaligen Zeit?

Es war beeindruckend zu erleben, mit welchen Emotionen die alte Dame reagierte, als sie über ihre Eindrücke erzählte. Da wurde einiges von dem Schrecken und der Panik lebendig, die Kürten Ende der 20-er/ Anfang der 30-er Jahre in Düsseldorf entfacht hat. Unsere Zeitzeugin sprach ja auch davon, dass sie möglicherweise einmal abends auf dem Heimweg von Kürten verfolgt worden sei. Ob das stimmt, vermag ich nicht zu sagen, aber bei der Schilderung stand ihr – Jahrzehnte nach dem Erlebnis – die Angst noch immer in die Augen geschrieben. Und schon das allein ist, meine ich, bezeichnend.

4. Wie würden Sie heute versuchen, einen Film über Kürten zu drehen?

Grundsätzlich würde ich wohl nicht anders an das Projekt herangehen als in den 80-er Jahren. Die Quellenlage hat sich ja im Vergleich zu dieser Zeit nicht wirklich geändert. Zeitzeugen werden immer schwerer zu finden sein. Ob ich aber alle Elemente des Films noch einmal so übernehmen würde, weiß ich nicht, denn die Dramaturgie war uns von der zuständigen Redaktion des WDR vorgegeben. Heute würden wir natürlich auch die veränderten Sehgewohnheiten berücksichtigen und vielleicht die eine oder andere technische Möglichkeit nutzen, die es vor reichlich 25 Jahren noch nicht gab.

5. Wieso übt der Serienmörder Peter Kürten 80 Jahre nach seiner Hinrichtung immer noch eine Faszination auf uns aus?

Wir haben es mit einem Sadisten zu tun, dem es gelungen ist, auf eine noch immer schwer fassbare Weise eine ganze Region zu tyrannisieren und zu traumatisieren. Das hat in dieser Form in Deutschland wohl niemand mehr geschafft. Daher hat das Faszinosum die Jahrzehnte überdauert. Andererseits ist es bemerkenswert, dass Grundstrukturen des Falls auch in unserer heutigen Gesellschaft weiterbestehen. Nur ein paar Beispiele: Der mediale Hype um spektakuläre Verbrechen, die dadurch angefeuerte Hysterisierung in der Bevölkerung und der Politik, der ungeheure Erwartungsdruck in Richtung Ermittler und Justiz, durchgeknallte „Trittbrettfahrer“ mit einer perversen Freude am Entsetzen ihrer Mitmenschen – da ist Vieles auch 80 Jahre nach Kürtens Hinrichtung aktuell.

Herr Hermanski, vielen Dank.